Zum Kassenbetrugsbekämpfungsgesetz („Bon-Pflicht“)

Faire und korrekt abrechnende Einzelhändler, etwa Bäcker, Fleischereien, Gemüsehändler, Wok’s, Gaststätten, Kioske, Friseure, haben einen riesigen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren unehrlichen Wettbewerbern. Der Ehrliche ist der Dumme, weil es unfaire Marktteilnehmer bzw. Wettbewerber gibt, die die Mehrwertsteuer hinterziehen, ihre Lieferketten manipulieren und auch Mitarbeiter schwarz oder prekär beschäftigen. Dabei geht es nicht um Peanuts, es geht um zweistellige Milliardenbeträge – jedes Jahr. Wie das möglich ist? Durch Kassenmanipulation. Mit den manipulierten Kassen werden die Umsätze und damit der Gewinn manipuliert.

Dem Staat, also allen Bürgerinnen und Bürgern gehen durch Steuerbetrug mit manipulierten Kassen jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge verloren. Steuern werden hinterzogen, indem die Umsätze nach unten manipuliert werden. Daneben können manipulierte Kassen auch zur Geldwäsche verwendet werden: Umsätze werden künstlich erhöht, um Geld zu waschen.

Dreh und Angelpunkt des Betrugs sind die manipulierbaren Kassen. Deshalb haben wir im Dezember 2016 das Kassen-Betrugs-Bekämpfungs-Gesetz beschlossen. Offiziell heißt es: „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“. Danach sind Händler ab dem 1. Januar 2020 u.a. verpflichtet, ihren Kunden einen Beleg auszustellen, wenn sie über eine elektronische Registrierkasse verfügen. Hier waren auch die Länder, allen voran das Finanzministerium NRW unter Führung von Norbert Walter-Borjans, die treibenden Kräfte.

Während der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) damals die Gesetzgebung mit dem Ziel der Wettbewerbsgleichheit und Fairness im Markt begrüßt haben, haben CDU und CSU im Schulterschluss mit dem damals CDU geführten BMF wichtige Teile einer klugen Regelung verhindert: So fehlen z.B. die Kassenpflicht und auch die damals verfügbare Kontrollsoftware INSIKA (Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme) ist mit den Regelungen nicht kompatibel. INSIKA wurde schon damals in Hamburg erfolgreich bei den Taxiunternehmen eingesetzt. Stattdessen sollte die Industrie eine sogenannte „zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung“ völlig neu entwickeln, für die es damals noch nicht einmal Standards gab. Ein Manöver, mit dem der Kassenbetrug noch einige Jahre ermöglicht wurde – Freiheit des Marktes.

Wir, die SPD Fraktion, haben die Belegausgabepflicht gerettet und damit langfristig die Wirksamkeit des Gesetzes gesichert. Die Belegausgabepflicht war die gemeinsame zentrale Forderung des Bundesrates und der SPD-Bundestagsfraktion, damit Kassenbetrug wirksam bekämpft werden kann. Nur so kann die Finanzverwaltung schnell und einfach prüfen, ob Umsätze korrekt erfasst sind. Das Entdeckungsrisiko der Betrüger steigt. Letztendlich nützt eine Belegausgabepflicht auch der Wirtschaft, weil Prüfungen und Nachschauen durch das Finanzamt damit viel schneller gehen und wesentlich weniger in den Betriebsablauf eingreifen.

Nach nun über drei Jahren Vorbereitungszeit sind die technischen Sicherheitseinrichtungen noch immer nicht ausreichend verfügbar, geschweige denn flächendeckend im Einsatz. Deshalb musste Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine Nichtbeanstandungsverfügung bis September 2020 erlassen.

Nach nun über drei Jahren, aber nur drei Wochen bevor die Händler ihren Kunden einen Beleg aushändigen müssen, entdecken die Lobbyisten ihr Herz für den Umweltschutz im Kassenbeleg. Die Belegausgabepflicht ist über den Lobby-Druck in die öffentliche Kritik gebracht worden: Sie führe zu unnötigen Müllbergen, außerdem müssten Kassenbelege auf mit schädlichem Bisphenol A (BPA) beschichtetem Papier gedruckt werden, das zu Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten führe und nicht als Altpapier wiederverwertet werden könne. Schreckliche Bilder in den einschlägigen Zeitungen. Dabei vergisst die Lobby zu erwähnen, dass die Erstellung des Belegs auch in elektronischer Form erfolgen kann. Hier ist die Wirtschaft gefragt, praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Es gibt bereits erste App-Lösungen, die eine Übertragung des Kassenbons per Nahfeldkommunikation (NFC) auf das Handy des Kunden ermöglichen.

Es freut uns trotzdem sehr, dass sich die Lobby über gesundes Kassenbonpapier Gedanken macht. Deshalb hier der Hinweis: BPA-beschichtetes Papier muss nicht verwendet werden. Es gibt BPA-freies Thermopapier.

Etwas irritierend ist, dass die vergleichbare Belegausgabe bei Kartenzahlung kein Thema ist, denn immer mehr Kunden bezahlen schon heute auch kleine Beträge mit der Karte.

Allerdings sind wir dankbar, dass sich die Lobby dem Umweltaspekt hinsichtlich der Kassenbons annimmt, weil das darauf schließen lässt, dass auch hinsichtlich der angebotenen Waren und ihrer Verpackungen eine ähnliche Sensibilität an den Tag gelegt wird. Aluminiumfolie, Verbundmaterialien, Kunststoffe, künstliche Aromate, kein Verkauf von Tabak, große Umverpackungen bis zur Einzeltüte für die Brötchen.

Last but not least: was die Österreicher, Polen die Italiener und eine Reihe anderer Staaten können, wird uns nicht vor unlösbare Probleme stellen.

Herzliche Grüße

Doris Barnett

  • On 13. Januar 2020

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