
Gedanken zum Anschlag in Hanau
Fassungslos habe auch ich gestern Morgen von der sinnlosen und äußerst brutalen Bluttat in Hanau gelesen. Ich bin sehr betroffen und mein ganzes Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Toten, die vollkommen arglos vom Täter niedergestreckt wurden. Die Welt der Hinterbliebenen wurde in Sekunden auf den Kopf gestellt – ohne jegliche Erklärung.
Ich befinde mich gerade in Wien auf der Konferenz der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, wo wir auch über den zunehmenden Antisemitismus in Europa diskutieren. Zwangsläufig frage ich mich, was in unserer Gesellschaft so substantiell falsch läuft, dass es zu Gewaltausbrüchen wie in Hanau oder vergangenes Jahr in Halle kommen kann?
Mit „Der ist doch verrückt!“ lassen sich solche Taten nicht erklären. Schon vor Jahren muss bei den Tätern eine Entwicklung, eine Radikalisierung eingesetzt haben, deren Anzeichen nicht erkannt wurden. Wie aber können wir es schaffen, Zeichen rechtzeitig zu bemerken – um dann handeln und eingreifen zu können?
In seinem 2018 erschienenen Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ appelliert der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke an seine Leser, sich „der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“. Es sind Äußerungen wie diese, die den Extremismus in unserem Land fördern und gedeihen lassen. Denn immer wieder zielen sie darauf ab, den Hass zwischen den Menschen weiter zu schüren und die Grenzen des Sagbaren weiter nach rechts zu verschieben.
Wie weit ist es von solchen Worten zu Bluttaten, wie der in Hanau, dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle oder dem Mord an Regierungspräsidenten Walter Lübcke? Allesamt die Taten rechtsextremer Terroristen, verübt innerhalb nur eines einzigen Jahres.
Der Rechtsradikalismus muss entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und es muss schonungslose Aufklärung betrieben werden. Auch darüber, wie sich das Gift des Hasses und der Unerbittlichkeit gegen Andere bereits vor 100 Jahren, Tropfen für Tropfen, in die Herzen und Köpfe der Menschen in Deutschland geschlichen hat. Wie es zum Holocaust und zu unermesslichem Leid in ganz Europa geführt hat und schließlich in der Niederschlagung der faschistischen Kriegsmaschinerie endete.
Doris Barnett, am 21. Februar 2020
- On 21. Februar 2020
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